Abendmahl im Verhörraum
Gepostet in Pfarrbezirk von Freddy am 13. Mai 2022

Pfarrer Matthias Storck berichtet über seine Zeit im DDR-Gefängnis
„Freiheit beginnt dort, wo die Angst endet“ ist der Spruch des Abends. Das Zitat von Vaclav Havel hat Matthias Storck mit nach Künsebeck gebracht und es ist angesichts der aktuellen Weltlage wichtiger als je zuvor. Denn der vor kurzem berentete evangelische Pfarrer Storck weiß, wie es sich anfühlt in der eigenen Freiheit beschnitten zu werden. Er ist in der damaligen DDR aufgewachsen, als Kind eines Pfarrers und durfte noch nicht einmal das Abitur machen, weil er die Jugendweihe verweigerte. 1978 wurden er und seine spätere Frau wegen ihres Engagements gegen den Wehrkundeunterricht in der DDR unter dem Vorwurf des geplanten „ungesetzlichen Grenzübertritts“ verhaftet.
Matthias Storck berichtete nun im Gemeindehaus Künsebeck auf Einladung des Pfarrbezirks von seinem Leben als Verfolgter eines diktatorischen Regimes. Begleitet wurde er dabei von Sänger und Gitarrist Detlev Lippek, der mit der DDR und der Wende-Zeit verbundene Lieder wie „Als ich fortging“ von Karussell oder „Wind of Change“ von den Scorpions vor den mehr als 30 Besuchern spielte.
Storck wurde von einem Freund, dem Pfarrer Frank Rudolph, einem Stasi IM, verraten. Nach 14 Monaten Haft kaufte ihn die Bundesrepublik Deutschland frei. Daraufhin siedelte er nach Münster über und beendete sein Theologiestudium.
Nach 18 Jahren in Kirchlengern wurde er 2006 Pfarrer in Herford. Nach einem Burn Out und Depressionen gab er im Oktober 2019 seine Stelle dort auf. Kurz vor dem Corona-Lockdown nahm er einen Beschäftigungsauftrag im Kirchenkreis Halle an, wo er bis zu seiner Pensionierung auch blieb.
Seine Zeit im Gefängnis hat er in seinem autobiographischen Buch „Karierte Wolken“ verarbeitet, das er nun in Künsebeck vorstellte.
Zehn Monate dauerte die Untersuchungshaft in Berlin-Pankow.
Als sein Vater ihn das erste Mal im Gefängnis besuchen durfte, feierte er im Verhörraum mit ihm mit Kuchen und Kaffee das Abendmahl. Das Psalmwort „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde“ bekam für Matthias Storck schon damals eine neue Bedeutung, auch wenn er noch nicht ahnte, das nicht nur der anwesende Staatsmitarbeiter im Dienst der Obrigkeit stand. Sein Vater, der Mann, der ihm beibrachte, wie man sich in einer Diktatur verhält, sich nicht von ihr unterkriegen lässt, entpuppte sich viele Jahre später bei Durchsicht der Stasi-Akten ebenfalls als IM der Stasi. Aus Angst und Schwäche hatte sich Storcks Vater dazu erpressen lassen andere auszuspionieren, aber dennoch seinen Sohn zum Widerstand ermutigt.
„Erst da habe ich richtig verstanden, was es für eine große Gnade ist, wenn man in einem solchen Staat nicht zum Verräter wird . Das ist das große Geschenk, das mir Gott gemacht hat“, sagt Matthias Storck heute. Seinem Vater hat er inzwischen verziehen: „Vergebung ist das Schwerste und Kostbarste was es gibt.“