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Vom Winde verweht

Gepostet in Allgemein von am 10. November 2015 Tags:

2015-11-10-015-HKH-001Aus dem heutigen Haller Kreisblatt/ Quelle: www.Haller-Kreisblatt.de / 10.11.2015

„Riechen Sie was?“, fragt Christiane Wolf und hält sich ein Handtuch vor den Mund. „Es ist zwar heute nicht so stark, aber es brennt schon wieder auf meinen Lippen“, ergänzt die 65-Jährige, als sie vor ihrer Haustür steht. Schnell huscht sie wieder hinein und verriegelt die Tür. Seit zwei Jahren zieht sie sich immer mehr zurück, fühlt sich belästigt und gesundheitlich angegriffen von einer, ihrer Ansicht nach, in unregelmäßigen Abständen und in schwankender Intensität auf ihr Haus zuschwebenden Chemiewolke. Als Verursacher gilt für sie das benachbarte Pharmaunternehmen Baxter Oncology. Obwohl von offizieller Seite bisher keinerlei Beeinträchtigungen festgestellt werden konnten, ist sich Wolf ihrer Sache sicher. Sie hat daher bei der Polizei eine Strafanzeige wegen Körperverletzung aufgegeben. „Es liegt sicher an diesem Krebsmittel, das die da produzieren“, mutmaßt Wolf. Ebenso hält sie die firmeneigene Kläranlage für den Verursacher der unangenehmen Gerüche. „Die läuft sicher über. Ich habe darum gebeten, dass sie die häufiger entleeren und besser reinigen“, sagt Wolf. Der Geruch käme ganz plötzlich auf ihr Haus zu. „Die Wolke kommt durch eine Häuserlücke dort vorne und prallt dann direkt gegen unser Haus.“ Sie selbst spricht von einer Chemiekeule und ist sich sicher, dass „darin mindestens zwei oder auch drei Chemikalien enthalten sind.“ Die Chemie sei, so gibt sie zu, für sie ein „großer Feind“, den sie nicht an sich heranlassen möchte. Die 65-Jährige, die schon seit vielen Jahren gesundheitlich angeschlagen ist und schon länger pharmazeutische Behandlungen ablehnt und ausschließlich auf Alternativmedizin setzt, hat in den vergangenen Monaten eine deutliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands festgestellt. „Meine Augen jucken und fangen an zu tränen. Ich leide unter ständiger Übelkeit und Hautreizungen. Es juckt unter der Haut und meine Zungenspitze brennt“, zählt sie die Symptome auf, die sie selbst feststellt. Neuerdings habe sie ein ganz neues Anzeichen bemerkt. „Es fühlt sich so an, als ob etwas an meinen Knochen nagt. Insbesondere am Arm“, sagt die Künsebeckerin. Besonders schlimm sei die Situation am Wochenende und nachts. „Ich habe das Gefühl, dass man das tagsüber bewusst zurückhält.“ Von Zurückhalten könne keineswegs die Rede sein, widersprechen die Verantwortlichen der Firma Baxter. „Es kommen hier keine Gerüche nach draußen“, erklärt Technik- Leiter Frank Generotzky beim Rundgang über das Firmengelände, zu dem die Firma das HK spontan eingeladen hat. Die gesamte Produktion laufe steril ab, zudem werde alles zweifach gefiltert. „Sollten bei uns jedoch Gerüche entweichen können, würden diese ja auch kontinuierlich und nicht schwallweise auftreten.“ Hans Günter Schmidt-Wirth, zuständig für den Bereich Umweltschutz im Pharmaunternehmen, schaut regelmäßig auf den Windsack auf dem Dach des Firmengebäudes und wundert sich oft, wenn Christiane Wolf sich telefonisch über Gerüche beschwert. „Die Anrufe stehen nicht im Zusammenhang mit der Windrichtung“, sagt Schmidt-Wirth. „Wir pflegen zu den Nachbarn ein offenes und gutes Verhältnis“, sagt Baxter-Personalleiter Jürgen Fleischer. In all den Jahren habe es nie Probleme gegeben. Man nehme die Hinweise von Christiane Wolf ernst, wolle ihr auch helfen, wisse aber derzeit nicht wie, da man nicht Auslöser ihrer Symptome sei.  „Frau Wolfs Beschwerde ist bei uns eingegangen“, bestätigt Andreas Moseke, Pressesprecher der Bezirksregierung Detmold. Am 22. September habe ein Mitarbeiter des Messund Prüfteams seine Ermittlungen aufgenommen. Er sei bisher neunmal vor Ort gewesen, jeweils zu unterschiedlichen Tageszeiten und bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen. „Man muss ein repräsentatives Bild erarbeiten“, erklärt Moseke. Die Ermittlungsreihe laufe noch, es sei halt schwierig, da man Geruch nicht messen könne. Wann die Untersuchungen zum Abschluss kämen und somit ein Ergebnis feststehe, sei noch unklar. „Die Untersuchungen laufen bis auf weiteres“, sagt Moseke. Auch ein mögliches Zwischenergebnis liege nicht vor. „Der Geruchsermittler der Bezirksregierung ist bei uns gewesen. Er hat lediglich einen süßlichen Geruch wahrnehmen können, der jedoch nicht uns zugeordnet wurde“, sagt Fleischer. Parallel zur Arbeit des Geruchsexperten nimmt in diesen Tagen auch die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf. Wolfs Anwältin Nadine Rothfeld bestätigt gegenüber dem HK den Eingang der Anzeige bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft. „Es werden nun Ermittlungen eingeleitet. Diese können ein paar Wochen andauern“, erklärt Rothfeld. Bis dahin ließe sich zu dem Fall nichts sagen. Wolf hat währenddessen am Wochenende in der Nachbarschaft 40 Unterschriften gesammelt. „Es gibt also auch andere, die den Geruch bemerken und die Beschwerden haben“, sagt die 65-Jährige zufrieden. Die Liste mit den Signaturen werde sie umgehend an Baxter senden. „Ich bin so weit unten. Ich will endlich meine Lebensqualität zurück “, sagt Wolf.